CEO-Interview: Berthold Baurek-Karlic über die Zukunft der europäischen Start-up-Szene
Wir sind stolzer Netzwerkpartner des World Venture Forum 2023 in Kitzbühel! Über 500 Investor:innen und Expert:innen aus aller Welt kommen zusammen und diskutieren die aktuellen Fragen rund um die Themen Crypto, Family Offices, Life Sciences, Legal- Tax- & Regtech, Circular Economy und Institutional Private Equity. Im Zuge dessen haben wir den Venionaire Capital CEO und Founder Berthold Baurek-Karlic interviewt und ihn über die Zukunft in der europäischen Start-up-Szene befragt.
Welche Entwicklungen in der europäischen Start-up-Szene hast Du in letzter Zeit beobachtet, die Du besonders aufregend findest?
Insgesamt gibt es in der europäischen Start-up-Szene eine breite Palette von Unternehmen und Technologien, und somit viele aufregende Entwicklungen. Ich persönlich finde besonders spannend, wie KI unser Geschäft etwa im Bereich Scouting, Bewertung, aber auch Portfolio Monitoring verändert. Darüber hinaus liegt wahnsinnig viel Potential in der Demokratisierung unserer Assetklasse. Viele Investor:innen haben heute schlicht keine Möglichkeit, in Venture Fonds zu investieren und können auch nicht einfach mit solchen Co-Investieren. Die Eintrittshürden – etwa Mindestzeichnungsbeträge – sind hier enorm hoch.
Sind diese in Österreich auch zu erkennen?
Auf jeden Fall! Österreich ist ein sehr professioneller Markt und durchaus gesegnet mit vielen strebsamen Unternehmern. Wir arbeiten u.a. mit CONDA seit längerem an der weiteren Demokratisierung des Venture Capital Markts und haben hier zuletzt gute Fortschritte gemacht. Mein Traum wäre es, den Crowd-Investor:innen den Zugang zu Co-Investments mit unseren Fonds zu geben. Herausragende Portfoliounternehmen, wie Biome Diagnostics – besser bekannt durch ihr Lifestyle-Produkt „mybioma.com“, das Fintech Monkee (www.monkee.rocks), oder das Gitarrenlern App Fretello (www.fretello.com) würden von Microshareholder:innen durchaus stark profitieren. Eines unserer Portfoliounternehmen – ELOOP.app – hat durch den EOT-Token gezeigt, wie Demokratisierung über ein auf der Blockchain emittiertes Investment-Instrument funktionieren kann und ist damit bereits höchst erfolgreich.
Wie schätzt Du das aktuelle Investitionsklima in Europa ein und welche Veränderungen erwartest Du in den nächsten Jahren?
Die aktuelle Marktphase ist absolut Herausfordernd, im wahrsten Sinn des Wortes. Drei Jahre Pandemie, der Krieg in der Ukraine, der Crypto Winter mit den entsprechenden Pleiten, und zuletzt die Pleiten der Silicon Valley Bank, sowie Credit Suisse haben Spuren hinterlassen. Das Klima ist am Boden, Kapital ist schwerer verfügbar, die Bewertungen tiefer, und die Investor:innen anspruchsvoller. Wir suchen aktuell Kamele (also Unternehmen, die lange durchhalten und im Idealfall sogar schon profitabel sind) und keine Unicorns. Das Geld sitzt nicht mehr so locker wie vielleicht noch vor ein paar Jahren. Für Investor:innen bieten sich in diesem Marktumfeld enorme Chancen, wenn man gute Zugänge hat, oder mit den richtigen Spezialist:innen Co-Investieren darf.
Welche Länder in Europa haltest Du für die vielversprechendsten Märkte für Start-ups und warum?
Gute Frage. Ich habe ChatGPT zur Hilfe genommen und die Antwort: „Deutschland, UK, Frankreich, Schweden und Niederlande“ erhalten. Bis auf UK und Niederlande würde ich zustimmen. Besonders interessant finde ich aktuell Deutschland, da hier eine klare „Pro Start – Politik“ erkennbar ist. Viele Initiativen mobilisieren zusätzliches Kapital und andere locken die richtigen Talente vergleichsweise unbürokratisch an. In Österreich ist die Politik viel zu lange wichtige Reformen schuldig geblieben.
Wie wichtig ist es Deiner Meinung nach für Start-ups in Europa, sich auf nachhaltige Technologien und Lösungen zu konzentrieren?
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Start-ups in Europa nachhaltige Technologien und Lösungen entwickeln. Innovation hat meines Erachtens schon immer den impliziten Auftrag gehabt, die Welt ein kleines Stück zu verbessern. Ich sehe für den aktuell äußerst wichtigen Aufwind rund um das Thema drei zentrale Gründe:
- Dringlichkeit der Klimakrise: Die Klimakrise stellt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar. Es ist unumgänglich, dass Unternehmen, einschließlich Startups, einen Beitrag zur Lösung dieser Krise leisten.
- Unternehmen haben eine soziale Verantwortung. Durch die Bereitstellung von Technologien und Lösungen, die umweltfreundlicher sind und die Lebensqualität verbessern, können Startups ihr soziales Engagement unter Beweis stellen und einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben.
- Die Nachfrage nach nachhaltigen Technologien und Lösungen wächst. Immer mehr Verbraucher:innen und Unternehmen suchen nach Produkten und Dienstleistungen, die umweltfreundlicher sind. Startups, die auf nachhaltige Technologien setzen, können sich daher auf einen wachsenden Markt konzentrieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.
Wir haben aber neben der Klima-Verantwortung auch eine soziale Verantwortung bzw. Herausforderung. Mit zunehmender Digitalisierung steigt die Verantwortung gegenüber Daten und zur IT-Sicherheit. Nachhaltige Technologien sind für mich in diesem Sinne auch europäisch souveräne, und sichere Technologien – „nur“ Klimaschutz wäre mir zu wenig.
Inwieweit beeinflussen regulatorische Rahmenbedingungen die Entwicklung von Start-ups in Europa, und welche Veränderungen würdest Du gerne in diesem Bereich sehen?
Regulatorische Rahmenbedingungen spielen eine sehr wichtige Rolle. Es gibt immer eine gesellschaftliche Verantwortung, der wir uns stellen müssen, wenn wir mit Innovation zu tun haben. Im Bereich von Kryptowährungen oder Digital-Assets halte ich eine Regulierung, und damit eine volle Integration der Assetklasse in bestehende Finanzmarktregulierungen, für unumgänglich. Viele Bitcoin-Maximalist:innen hören das nicht gerne, aber Regulierung wird letztlich den Durchbruch des Web3 bringen. In anderen Bereichen bin ich skeptischer – etwa im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Es gibt wundervolle Anwendungen von KI, beispielsweise im Bereich der Medizin, oder der Kunst. Hier blind einen Riegel vorzuschieben, halte ich für einen großen Fehler, den wir letztlich im internationalen Wettbewerb bezahlen werden.
Ich bin selbst mehrfacher Unternehmensgründer und seit über 10 Jahren hauptberuflich Investor, ich wünsche mir Rahmenbedingungen, die Starups fördern und unterstützen, statt sie zu behindern. Ganz konkret könnte ich mir 5 Maßnahmen vorstellen:- Eine einfachere und schnellere Gründung von Unternehmen, zzgl. steuerlicher Anreize statt vieler kleiner de-minimis Förderungen.
- Eine günstigere steuerliche Behandlung von Startup Investments (aus dem In- und Ausland), um mehr Kapital zu mobilisieren.
- Eine flexiblere Arbeitsgesetzgebung, um Start-ups in ihrer Arbeitsweise zu unterstützen.
- Stark vereinfachte Mitarbeiterbeteiligungen, ohne unsinnige steuerliche Fallstricke.
- Anreize für Institutionelle Investor:innen (Versicherungen, Pensionskassen, Banken), um europäischen Innovationen das Kapital zur Verfügung zu stellen, das es wirklich braucht, um aufzuholen.
Welche Branchen und Technologien hältst Du für besonders vielversprechend in Bezug auf zukünftige Investitionsmöglichkeiten in Europa?
Ich denke, dass wir großartige Forschungs- und Entwicklungsarbeit in folgenden Bereichen leisten:
- AI & Machine Learning
- BlockchainCircular EconomyLife Sciences
- Bio Sciences (inkl. Agar und Industrie)
Ich würde mir mehr Spin-offs aus Universitäten wünschen und auch mehr Kapital um die besten Projekte in Europa bis zum Börsegang zu bringen.
Welche Rolle spielen internationale Investor:innen und Kooperationen für die Zukunft europäischer Start-ups?
Ich denke, internationale Investor:innen und Kooperationen bzw. Netzwerke, die Investor:innen mitbringen, sind vermutlich der größte Hebel für ein Startup. Internationale Investor:innen bieten nicht nur Zugang zu mehr Kapital, sondern auch wichtiges know-how, frische Blickwinkel, andere Ressourcen und letztlich auch Zugang zu neuen Märkten. So können Gründer:innen ihr Business auf die nächste Stufe heben, expandieren und neue Produkte oder Services entwickeln.
Wie wichtig ist es für Start-ups in Europa, Teil eines größeren Ökosystems zu sein, und wie können sie am besten von diesem profitieren?
Ein gutes pan-europäisches Ökosystem – wie wir es mit dem European Super Angel Club aufgebaut haben – bietet viele Möglichkeiten zum Austausch rund um Best Practices, was dazu beitragen kann, dass Start-ups schneller wachsen können. Start-ups, die Teil eines größeren Ökosystems sind, haben auch bessere Chancen, durch Partnerschaften schneller ihre Umsätze zu erhöhen, und können als Portfolio-Familie oder Gruppe viel effizienter agieren.
Bei Veranstaltungen wie Konferenzen, Workshops, etc. können sie sich leichter mit Expert:innen vernetzen (jeder kennt jemanden, und kann jemanden vorstellen), Wissen sammeln und auf neue Kund:innen und sogar Investor:innen treffen. Die Zusammenarbeit mit Universitäten, Forschungseinrichtungen, sowie auch für EU-Förderungen wird ebenfalls erleichtert.
Wir gehen sogar so weit, dass wir nicht nur unsere eigenen Investor:innen und Gründer:innen in unserem Ökosystem vernetzen, sondern mit dem World Venture Forum (www.worldventureforum.info) sogar eine offene Plattform bieten, die unser Netzwerk und jeder unserer Netzwerkpartner für alle öffnet.
Wie siehst Du die Zukunft der Arbeit in Europa und welche Auswirkungen wird dies auf die Start-up-Szene haben?
Die voranschreitende Digitalisierung und Automatisierung wird die Art und Weise, wie wir in Europa und auch weltweit arbeiten, weiter verändern. Arbeitskraft wird an mancher Stelle durch Technologie ersetzt werden. Ich sehe das nicht kritisch, da KI unser sog. „Super Human“ Fähigkeiten erlaubt freizusetzen – wir können mehr oder komplexere Tätigkeiten in unserer Arbeitszeit, bei geringer Fehlerwahrscheinlichkeit erledigen.
Gleichzeitig erschafft Technologie auch ganz neue Berufsfelder, die wir heute noch gar nicht kennen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass Arbeit nicht unbedingt im Office erledigt werden muss und remote working bzw. hybrides Arbeiten sind mittlerweile state of the art. Dass das auch Länder- oder Kontinent übergreifend funktioniert, beweisen heute bereits einige Unternehmen. Für Startups bedeutet dies, dass sie einen noch breiteren Talentpool haben und für viele Tätigkeiten nicht mehr auf ihren Standort beschränkt sind. Auch flexible Arbeitszeitmodelle gehören mittlerweile zum guten Ton. Gerade Startups haben die Möglichkeit, hier gegen die Großen der Wirtschaft aufzutrumpfen, um so hochqualifiziertes Personal anzuziehen und zu halten.Wie können Business Angels und Venture Capital Geber dazu beitragen, die europäische Start-up-Szene zu fördern und erfolgreich zu gestalten?
Die meisten würden jetzt einfach sagen: Finanzierungen bereitstellen – aber das ist bei Weitem nicht alles. Es reicht nicht, einfach nur Geld zu überweisen.
Gründer:innen brauchen Mentor:innen und hier können Business Angels und Venture Capital Fonds mit ihrer Erfahrung, ihrem Wissen und ihren Netzwerken einen essentiellen Beitrag zum Erfolg des Startups leisten. Es geht darum, Kontakte und Verbindungen zu knüpfen, Coach und Sparringpartner zu sein und Energien und Motivation richtig zu kanalisieren.
Nun findet ja bald das WVF statt… Auf welchen Programmpunkt freust du dich ganz besonders und warum?
Ich freue mich ganz generell schon einmal, dass wir nach 9 Jahren erstmals über 500 Gäste, aus über 30 Ländern begrüßen werden. Ich freue mich, dass wir mit enorm vielen Entscheidungsträger:innen eine Woche verbringen werden dürfen und natürlich auch viele alte Bekannte wieder zu sehen. Es erfüllt mich mit Stolz, wenn ich sehe, was unser kleines Team hier auf die Beine gestellt hat. Am besten selbst vorbeikommen und erleben.